Die Kalaschnikov hatte er zuletzt 1985 in der Hand. Und jetzt wieder. Ihor, in Freizeit-Militäruniform, sitzt neben seinem Kollegen aus Studientagen. Beide sind Professoren für Geschichte, der eine in Deutschland, der andere in der Ukraine. Gerade hat Ihor an der Front in Bachmut gekämpft. Nach seiner Rückkehr aus Berlin wird er weiter kämpfen.
Er schöpft wirkt er, und trotzdem voller Kampfeswillen. Er wisse wofür er kämpft, stellt er fest. Es sei als Sowjetbürger geboren. Er habe das alte System erlebt und in ihm gelebt. Das wolle er sicher nicht wieder.
Vor einem Jahr, als der russische Präsident zu einer neuen Etappe des seit 2014 laufenden Kriegs aufrief und die Hauptstadt der Ukraine angriff, waren die Menschen in der Ukraine gut vorbereitet, berichtet Ihor. Mehr als die Hälfte der Bürger habe an Vorbereitungskursen teilgenommen. Da gab es Erste Hilfe Unterricht und Informationen, einfache Ausbildungen an Waffen und Hinweise, wie man sich für den Kriegsfall vorbereiten könne – und es gab sogar Empfehlungen für das Notgepäck. Seine Familie sei gut vorbereitet gewesen.
Gemeinsam hätten sie in der Familie geplant, wer im Kriegsfall wohin gehen oder fahren solle.
Seine Studenten habe er am 23. Februar, am Vortag des Krieges also, gefragt, ob ihre Notkoffer gepackt seinen. Er sei überzeugt gewesen, dass der Krieg unmittelbar bevor stehe.
Wer von dem russischen Angriffskrieg überrascht gewesen sei, könne eigentlich nicht wirklich überrascht gewesen sein. Aber es habe einige gegeben, die nicht wahrhaben wollten, was sich sich rund um die Ukraine zusammen braute.
Gefragt, wie die Menschen einen so motiviert kämpfen könnten, berichtete er von seinen Erfahrungen in den mitt-90-er Jahren in Deutschland. Er habe gesehen, was alles es dort gab und wie frei und gut die Menschen dort lebten. Das gab ihm eine neue Perspektive. Er habe gewusst, dass die Ukraine vieles zu bieten hätte und er sei überzeugt gewesen, dass man auch in der Ukraine einen solchen Lebensstandard erreichen könne.
So gehe es vielen. Sie kämpften für ihr Land und ihre Freiheit, und die Freiheit anderer.
Menschen aus den ehemals sowjetischen Staaten verstehen das – viele westliche leider nicht.
Es war ein sehr eindrucksvoller Abend, der unmittelbar und deutlich gezeigt hat, worum es geht. Es geht um weitaus mehr als um die Ukraine!
Als Zuhörer bleibe ich zurück – mit sehr vielen Gedanken, hilflos und beklommen, und doch dankbar, so unmittelbar einen Menschen wie Ihor zu erleben.