Keine Seide für Georgien

Gerade habe ich einen dicken Wälzer über die Seidenstraße bewältigt, über 300 Seiten durchpflügt und viele Quellen, Karten und Bilder. Ein echtes Werk eines kundigen Autors. Mehrere Jahrtausende finden sich dort wieder.
Und endlich gab es dort einen kritischen Blick auf die Vor- und Nachteile der alten und der neuen Seidenstraße.

Neue Seidenstraße? Schon den Namen hat die neu entstehende Verbindugn zwischen Europa und China nicht verdient.
Die alte Seidenstraße stellte Verbindungen zwischen ganz unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Ländern her. Je nach Region, Wetter und Jahreszeit schleppten unterschiedliche Tiere die Waren: Mal die Elefanten, mal Pferde, mal Esel, mal Kamele. Immer aber gab es Handel entlang der Route. Die örtliche Bevölkerung tauschte ihre lokalen Produkte gegen die der Karawanen. Die hatten lokale Stützpunkte in Karawansereien, einer Kombination aus Gästehaus und Handelsplatz. Einige von ihnen sind bis heute erhalten.
So schaukelten die Kaufleute mit ihrem Tross über Wochen von China nach Europa und zurück.

Heute dagegen rasen die Züge zwischen China und Europa in nur zehn Tagen von Urumchi nach Düsseldorf, oder umgekehrt. Kontakt mit den Ländern entlang der Strecke? Kaum.

In Georgien gräbt sich die Handelsroute quer durch das Land, durch durchbohrt Berge und zerschneidet Täler.
Auf der Strecke bleiben dabei die Menschen entlang der Route: die Dorfbewohner, deren Lebensraum sich rapide verändert, und die vielen kleinen Verkäufer, die an der Landstraße ihre Geschäfte machten. Geschäft – das war einmal. Der globale Handel ist mit voller Wucht in die ländlichen Idyllen eingebraochen. Weniger kleine Händler stehen noch an den Landstraßen, auf denen sich der Verkehr zweispurig um die Berge und durch die Täler windet. Sie verkaufen frisches Brot, direkt von Ofen, lokale Süßigkeiten, Keramikschüsseln und Geschnitztes, Honig und Wein.

Doch wo LKWs mit Containern auf der neuen Route vierspurig durch die Berge rasen, und auf hohen Brücken die Täler durchqueren, bleibt keine Zeit für Kontakte und Austausch. Schon beim Bau der neuen Strecke bleibt die chinesische Welt untersich. Hier bahnt sich eine globale Strategie ihren Weg.
Das ist die Realität der  – nein, es ist keine Seidenstraße!

 

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