Da ist sie wieder, die alte Trennlinie in Europa. Ihr Verlauf ist ein etwas anderer als zu Zeiten der Sowjets. Aber nach Jahren, in denen die Trennung Europas in West und Ost überwunden schien, tritt sie nun wieder offen zu Tage.
Die Trennlinie läuft mitten durch die Ukraine. U Kraine, übersetzt: an der Grenze. Passender könnte der Name kaum sein. Was sich an ihrer Ostgrenze zusammen braut, welche Truppenkontingente sich dort versammeln, wirft Fragen auf und schürt Ängste. Die grünen Männchen, die 2014 von Osten in die Ukraine kamen, waren der Beginn eines hybriden Krieges, der in den folgenden Wochen zu einem Konflikt mitten in Europa führte. Die Annektion der Krim durch Russland überrollte alle Bemühungen der Diplomatie. Wo Diplomatie nicht mehr das Mittel zur Lösung von Konflikten ist, wird oft das Waffenarsenal geöffnet. Es ist zu hoffen, dass die Ansammlung der russischen Kontingente lediglich eine Demonstration ist, ein Schaulauf oder eine Drohkulisse.
Die von Russland besetzen Region im Donbas und Luhansk sind eine offene Wunde mitten in Europa. Hier wurden mit Gewalt Fakten geschaffen. 14.000 verloren dabei ihr Leben. Menschen aus der Region flüchteten zum Teil nach Osten, nach Russland, zum Teil nach Westen, in die Ukraine oder nach Polen. Auch die so genannten Separatisten, die Gruppen von Freiwillgen, die jeweils ihre Familie, ihr Dorf oder ihre Region verteidigen wollen, haben von Gruppe zu Gruppe unterschiedliche Vorstellungen, wer sie vertreten soll. “Weder Moskau noch Kiew” sagen viele. Ich konnte selbst mit vielen sprechen.
Es wird höchste Zeit, dass die Diplomatie das Geschick der Ukraine regelt, und nicht die Waffen. Niemand kann einen offenen Konflikt wirklich wollen. Die unterschiedlichen Interessen von Ost und West an der Ukraine machen deutlich, dass das Land wieder zum Grenz-Land geworden ist. Selbst wenn die Ukraine und Russland eine gemeinsame Geschichte haben, muss ihre Zukunft keine gemeinsame sein.
Vor allem aber: Die Menschen in der Ukraine sollten selbt bestimmen können, wohin ihre Zukunft geht. Und sie verdienen Vertreter, die sich nicht um das eigene, aber um das Wohl derer kümmern, die sie gewählt haben.
S. auch
Zusammenhänge in der Geopolitik: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/strategien-fuer-die-eu-nachbarschaft/projektnachrichten/policy-brief-geopolitische-ambitionen-in-der-schwarzmeer-/kaspischen-region