Einst galt sie als Vorzeige-Demokratie von Zentralasien, die einzige, bis vor rund zwei Jahren. Doch schon seit der letzten Präsidentenwahl haben die Ereignisse einen anderen Lauf genommen als das, was sich in einer Demokratie ereignen sollte: Ein selbst ernannter Generalstaatsanwalt, wenn auch nur vorübergehend. Der Präsident lässt den vorherigen Premierminister verhaften, wegen Korruption. (Anm.: den ehemaligen Premierminister Sapar Isakow, 2019 und 2020 wegen Korruption im Zusammenhang mit der Modernisierung des Heizkraftwerkes Bischkek und des Hippodroms in Tscholpon-Ata zu 18 Jahren Freiheitsentzug verurteilt). Gäbe es die nicht überall in diesem Lande, wäre das durchaus ein Grund. Doch tatsächlich geht es um andere Dinge, um Geschäfte, Clanstrukturen und Machtrivalitäten.
Doch weil auch die Gerichte noch nicht unabhängig sind und die Richterinnen und Richter keine Ausnahmen der landesüblichen Alltäglichkeiten von Gefälligkeiten und Korruption sind, ist auf die Rechtssprechung wenig Verlass.
Wer in Kirgisistan ein Problem hat, hat wirklich eines. Er/Sie braucht einflussreiche Menschen mit Kontakten, Macht, Einfluss, und gefüllter Kasse. Auch die Herkunft spielt noch immer eine starke Rolle. – Die Demokratie in Kirgisistan hat noch einen weiten, schwierigen Weg vor sich.
Präsident Dscheenbekow ist jetzt zurückgetreten. Schon vor einer Woche zeichnete sich dieser Schritt ab. Doch damit ist noch nicht klar, wie es weiter geht. Vielen Kirgisen fehlt das Verständnis für den eigenen Staat, und das Vertrauen. An zu vielen Stellen funktionieren staatliche Insitutionen nicht, sind überlagert von Korruption und Vorteilnahme. Dabei gibt es sehr viel zu tun.
Ein Versagen des Staates sehen Kirgisen auch im Umgang mit der Pandemie. Medizinische Versorgungszentren waren völlig überfordert, Krankenhäuser überfüllt, Schutzkleidung völlig unzureichend und staatliche Hilfen nicht in Sicht. Freiwillige Helfer linderten die Lage und Kirgisen im In- und Ausland koordinierten Hilfslieferungen, weil der Staat versagte. Die Politiker seien mit der Wahl beschäftigt, nicht mit der Pandemie, hieß es. Die Enttäuschung war groß.
Zur Zeit sieht es so aus, dass Kirgisistans Nachbar Usbekistan, jahrelang abgeschottet, aber sei 2016 offen und auf dem Weg zur Demokratie, den einstigen Favoriten Kirgisistan in der Demokratisierung überholt oder sogar schon abgelöst hat.
Rund die Hälfte aller Kirgisen ist unter 25 Jahre alt. Sie wollen ein besseres Leben und an der Gestaltung mitwirken.
S. zu Kirgistan/ Kirgisistan/ Kirgisien
Coronawelle überrollt das Land. Deutschlandfunk
Chronologie der Ereignisse in Kirgistan. Zois Berlin
Nachtrag am 15.Februar 2021:
EU Förderprogramme für Kirgisistan. Deutschlandfunk
Education for Kyrgyzstan, Brussels Diplomatic
Was will die EU in Zentralasien? Es geht um mehr als Öl und Gas. Petersburger Dialog
Zu Usbekistan:
„Wir sind offen für alle!“ Interview mit dem stellvertretenden Außenminister Usbekistans Ilhom Nematov am 5.1.2019 in Taschkent, erschienen 22.2.2019 in: Zentralasienanalysen Nr. 133