Ausstieg aus dem Ausstieg?

Der Saal war voll, die Gesichter gespannt, als Fatih Birol am 5. November 2024 in Berlin den „World Energy Outlook“, den neuesten Bericht der IEA (International Energy Agency), vorstellte. Für mich war es das 3. Mal, dass ich seinen Worten und der Atmosphäre im Saal folgen durfte.
2023 hatte Birol keine spektakulären Aussagen getroffen. Er referierte die neuesten Zahlen, fasste Entwicklungen zusammen und machte einige Aussagen zur Klimasituation.

Im November 2024 war mehr zu erwarten. Der Klimawandel zeigte sich nochmals deutlicher als im Vorjahr, in den USA stand politischer Wandel an und Abkehr von der Klimapolitik, und in Deutschland brach genau an diesem Tag die Regierungskoalition auseinander, und somit auch die Politik der „Ampelkoalition“, für die Klimaziele weit obern auf der Agenda standen. Wirtschaftsminister Habeck war zwar angekündigt, konnte aber aus aktuellem Anlass – Regierungsgespräche – nicht teilnehmen. Die Energiewende-Politik hatte in Deutschland einen kritischen Punkt erreicht.

Dr. Carsten Rolle, Staatssekretär im Bundesministerium für Energie und Klimaschutz, stellte fest, dass viele der Fragen, die auch mit dem Haushalt zusammen hingen, letztlich auch politische Fragen seien. Da gäbe es viele Ungewissheiten,

die darauf warteten, aufgelöst zu werden, damit die Energiewende mit mehr Sicherheit gestemmt werden könne.

Das Vertrauen in die Daten der IAE ist international groß, denn die IEA sammelt Energie-relevante Daten aus der ganzen Welt, die so eine solide Grundlage für politische Entscheidungen bilden. Sie sind ein Gradmesser, ob die getroffenen Bemühungen ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen.
Spekulationen und Philosophie sind in der Energiepolitik nicht am Platz, denn jede auch nur kleine Fehlannahme hat immense und teure Folgen. Daten-basierte Entscheidungen sind äußerst wichtig.
`Wir vertrauen auf Innovation und Technologie` sagte Birol in einem Interview vom Tagesspiegel wenige Tag zuvor. Nur so kann die Energiewende gelingen. – Was also würde die IEA Empfehlung für Deutschland sein?

Das Publikum musste lange rund 50 Minuten warten, doch dann, auf Nachfrage, kamen entscheidende Worte:

Er habe keine Empfehlungen an Parteien zu geben, aber an Staaten.

In vielen Ländern lieferten die Erneuerbaren einen großen Teil der Energie. Aber nukleare Energie habe ein Come Back. Ob das für Deutschland richtig sei, das zu entscheiden liege bei den Bürgern in Deutschland. Die deutsche Regierung habe hervorragend gearbeitet, dass die deutsche Wirtschaft nach dem Ausbrechen des Ukraine-Krieges und den Folgen für die Gaslieferungen nicht zusammen gebrochen sei. Aber jetzt gäbe es gravierende Veränderungen.
Seine bescheidene Empfehlung sei, die Laufzeit der Kernkraftwerke zu erneuern.

Weiter stellte Birol fest, Europa sei zu langsam.

Europa als Ganzes habe viele inspiriert, es habe viele positive Seiten, Menschenrechte, ein großer Markt mit starker Wirtschaftskraft, es gäbe eine solide Bildung, und mehr. Über den Umgang mit der Industrie emphielt Birol:

Unausgesprochen blieb, dass wir Europäer uns nicht auf diesen positiven Seiten ausruhen dürfen. Unausgesprochen blieb auch, welch fatale Wirkungen hohe oder zu hoheEnergiepreise haben – auf die Wirtschaft, auf die Arbeitsplätze, auf den sozialen Frieden. –
Die Folgen sehen wir in Deutschland bereits seit mehreren Monaten.

Es gibt also gute Gründe, die aktuelle Energiepolitik gründlich zu überdenken. Und es wird höchste Zeit. Die Bundesregierung, die nach den vorzeitigen Wahlen im Februar ins Amt kommen wird, muss die Energiepolitik neu justieren. Ein Ausstieg aus dem Ausstieg scheint dringend geboten. Auch das ist eine Folge des Ukraine-Kriegs.
Deutschland wäre nur eines von vielen Ländern, die diesen Schritt getan haben, wie z. B. Schweden.

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