Aserbaidschan: Im Bus nach Norden

Fahrt nach Quba

Buspreise aushandeln ist offenbar Männersache. Wir wollen mit dem Bus nach Quba fahren. Unser Freund geht zu einem Taxi, kommt zurück, wieder hin und zurück, nach drei Runden sind der richtige Preis, Fahrzeug und Fahrer gefunden.

Kurz danach geht es los: aus drei Plätzen pro Reihe macht man vier, ein Kleinbus und 16 Mitfahrer. “Anschnallen bitte” heißt es, aber nur zwei Gurte teilen sich die vier Personen hinter der Frontscheibe. Der Fahrer ist ein junger, schlaksiger Kerl. Drei goldene Zähne hat er sich schon verdient. Sie glänzen, wenn er lacht, aber er lacht nicht viel. Hier kämpft sich jeder durch den Alltag, und der ist nicht einfach. Die Preise steigen, die Löhne kaum.

Wir sitzen in der letzten Bank, als sich das Fahrzeug in Bewegung setzt. “Bjesplatno Karussell” – kostenloses Karussell – bemerkt meine Nachbarn. Bei jedem Anfahren oder Bremsen bewegt sich die Bank nach hinten oder vorne. Solange die Autoklappe hinter uns fest geschlossen ist, landen wir nicht auf der Straße.

Gemächlich schaukelt der Bus durch die Stadt. Die Fahrgäste schweigen, einige schlafen. Dem Fahrer ist langweilig, er dreht Musik auf.
Orientalisch-aserbaidschanische Klänge begleiten uns durch die Wüste, hinten rechts das Kaspische Meer, hinten links die Kaukasus-Berge. Weinberge erscheinen, große neue Pflanzungen und bestens gepflegt, und das in einem muslimischen Land, wo doch der Alkohol verboten ist. Fragen über Fragen verbinden sich mit diesem Anblick: Wird hier für den aufkeimenden Tourismus produziert? Oder spielt die scheinbar wichtiger werdende Religion doch keine große Rolle? Einzelne grüne Wiesen ziehen vorbei, einige Häuser, hier und da neue Baustellen. Geld kommt ins Land, man sieht es auch hier, weit weg von der Hauptstadt.

Der Fahrer hält an. Schon eine Stunde ist vergangen. Die Männer steigen aus, etwa die Hälfte, Frauen bleiben sitzen und protestieren. Sie wollen weiter.»Was soll das, jetzt schon Pause« schimpft eine akkurat gekleidete Dame mit großem Lockenturm auf dem Kopf, in scharf betontem Russisch. An ihrer riesigen Sonnenbrille glitzern die Steine. Den Fahrer kümmert das wenig, er wartet an einem Straßengrill auf einen XXL Kebab. Mit Beute in der Hand besteigt er den Fahrersitz, startet den Motor und schon springen auch die anderen Aussteiger wieder ein. Weiter geht es, Berge links, Ebenen rechts, ab und zu Schafherden, hier und da alte Õlpumpen.

Eine halbe Stunde später hält der Fahrer erneut. Reicht der XXL Kebab nicht oder hat er jetzt Durst? Doch weder Grill noch andere mõgliche Ziele sind in Sicht. Der Fahrer steigt aus, das Theater beginnt von Neuem: »Warum halten Sie schon wieder?« tönt es unter dem Lockenturm »Soll ich etwa ein Taxi nehmen, damit ich endlich nach Quba komme?«

Der Fahrer geht schweigend zur Heckklappe, die Dame verlässt den Bus. Mit vier Gläsern voller frischer Haselnüsse kommt der freundliche Mann zurück. Nach wenigen Minuten löst sich der rätselhafte Halt: ein weiterer Bus stoppt hinter uns. Sechs Leute steigen aus, vier ein und zehn Leute wollen umsteigen.

Die Fahrer geben wieder Gas – der eine fährt nach Norden weiter, der andere biegt von hier ab nach Westen. Sie haben ihre Routen verteilt. So muss jeder nur ein Ziel anfahren statt zwei: So sparen beide Sprit und Zeit.
Aserbaidschaner handeln gerne, und wenn das nicht geht, wird zumindest optimiert. Die Basare verschwinden, das Handeln bleibt. Nach einer weiteren Stunde auf einer neuen Autobahn erreichen wir wohlbehalten Quba.

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